Ausgehtipp: "Anger is a liquid" - Ausstellung in der Monacensia

Ausgehtipp: "Anger is a liquid" - Ausstellung in der Monacensia

Wut und Frausein haben eine komplizierte Beziehung zueinander. Entweder sie werden als nicht miteinander vereinbar wahrgenommen oder – im Falle Schwarzer Frauen – als stereotypische Vorstellung miteinander verlinkt. Wenn sie dennoch zusammenkommen, muss sich Wut auch gerne mal einen neuen Namen geben lassen: Zickig, hysterisch, bossy.

Die Feministin Soraya Chemaly hat ein Buch zum Thema weibliche Wut geschrieben, in dem sie unter anderem schreibt: „Wenn Männer Wut zeigen, legitimieren sie damit ihren Dominanzstatus. Wenn Frauen das tun, werden sie als emotional und irrational abgetan.“ Damit wird weibliche Wut zu einem zentralen Thema feministischer Praxis. Oder um es mit Theresa Bücker, der ehemaligen Chefredakteurin des feministischen Onlinemagazins Edition F, zu sagen: „Gefühle abgesprochen zu bekommen oder sie unterstellt zu bekommen, erschwert den Zugang zu dem, was eine Person wirklich empfindet. Das verändert Menschen, macht sie unfrei.“

(c) Lilian Robl

(c) Lilian Robl

Wer sich also näher mit weiblicher Wut beschäftigen möchte, sollte unbedingt die Videoinstallation „Anger is a liquid“ der Münchner Künstlerin Lilian Robl in der Monacensia im Hildebrandhaus besuchen, die einen besonders spannenden Zugang zum Verhältnis von Gender und Emotion schafft. Gerahmt von Benzinkanistern erwartet euch eine Reise durch die verschiedenen Aspekte weiblicher Wut, die sich nicht in platten Wutausbrüchen, sondern in fließenden, intimen, berührenden wie auch befremdenden Bildern zeigen, die Unterdrückung von Wut in weiblich sozialisierten Körpern thematisieren. In drei Kapiteln wird Wut aus historischen, soziologischen und psychologischen Perspektiven beleuchtet, fließt als Flüssigkeit durch die verschiedenen Teile, entzündet Feuer, läuft über.

(c) Lilian Robl

(c) Lilian Robl

Die Medusa, als mythische Repräsentantin der wütenden Weiblichkeit, an einem Feuer sitzend, in das sie immer wieder Öl gießt, erzählt in einem offenen Brief an ihre Wut von all dem Unrecht, das ihr angetan wurde, insbesondere von Männern – und vom Patriarchat. Sie dröselt historische Zuschreibungen auf, mit bröckelnder, aber ruhig-starker Alt-Frauenstimme, die den*die Betrachter*in mit Gänsehaut zurücklässt. Wut, so gewinne ich den Eindruck, hat etwas mit Kraft, aber nicht unbedingt mit Schreien zu tun.

(c) Lilian Robl

(c) Lilian Robl

Im zweiten Teil vollziehen zwei junge Frauen ein seltsames Ritual. Mit Flüssigkeit gefüllte Kugeln werden abwechselnd fallen gelassen und aufgefangen. Es handelt sich um eine Anti-Agressionsübung, die unter anderem mit Gefängnisinsassen angewandt wird. Die Sorge, dass eine der Bomben platzen könnte, paart sich mit der intimen Kameraführung, die von Beschreibungen weiblicher Sozialisation und Wut begleitet wird. Die Traurigkeit und -ja: Wut, die mich ergreift, wenn ich den beiden zuschaue, speist sich aus dem Voice-over, das die Doppelmoral, mit der Mädchen erzogen und sozialisiert werden, auslotet.

(c) Lilian Robl

(c) Lilian Robl

Im dritten Teil schließlich erleben wir Wut als fluides Medium, das von einer Frauenhand in amorphe Behälter gegossen wird. Klebrig, sinnlich, überfließend, als positives, reinigendes Ritual, das sich gegen den blauen Himmel absetzt. Paradoxerweise scheint ausgerechnet die fast meditative Ruhe des Umgießens von Flüssigkeit der weiblichen Wut genug Platz zu lassen, ihren eigenen Raum und Ausdruck zu finden.

Die Installation bietet noch sehr viel mehr Assoziationsspielräume, Reflektionsanregungen und Inspiration zum Thema, daher nutzt die Chance und schaut euch die Ausstellung noch bis zum 12. Oktober 2020 an!

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Lilian Robl studierte Kunstgeschichte, Literaturwissenschaften und Freie Kunst in München und Brüssel und absolvierte 2019 ihr Diplom als Meisterschülerin von Prof. Alexandra Bircken an der Akademie der Bildenden Künste München. Ihre Arbeiten bewegen sich an den Nahtstellen von Bildender Kunst, Literatur und Philosophie: Schreiben und Zeichnen, Schrift und Bild, aber auch Sprache und Mathematik oder Literatur und Philosophie treffen aufeinander. Lest mehr über sie und die Ausstellung hier.

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Poetry von Moira Barrett

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Wepsert im Import-Export: Maske, Kleid und Widerstand

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