Wepsert Lesetipps: Jamaica Kincaid

Wepsert Lesetipps: Jamaica Kincaid

Im Rahmen des Black History Month stellen wir euch ein paar unserer Lieblingsautorinnen vor. Beginnend mit:

Jamaica Kincaid: Am Grunde des Flusses

Nachdem ich mit viel Vergnügen Wide Sargasso Sea (1966) von Jean Rhys verschlungen hatte, wollte ich mehr von den Westindischen Inseln lesen. Rhys’ Roman ist ein Prequel, also eine fiktionale Vorgeschichte zu Charlotte Brontës Jane Eyre, (1847), in der klar wird, was für kaputte Kandidaten sich auf den West Indies dazu aufgeschwungen haben, Kolonialherren sein zu wollen. Ich wollte nach dieser Lektüre eine Stimme hören, die eben nicht Kind ebenjener Kolonialherren ist. So bin ich auf Jamaica Kincaid aufmerksam geworden, und auch, weil eine Übersetzung der Lyrikerin Sarah Kirsch von ihr vorliegt, habe ich mir die Kurzgeschichtensammlung Unten am Fluss (1983) gekauft.

Jean Rhys und Jamaica Kincaid wuchsen beide in der Karibik auf und verließen ihre Heimat als Teenager Richtung Großbritannien bzw. USA. Ihre familiären Hintergründe sind aber sehr unterschiedlich. Während Jean Rhys als auf Dominica aufgewachsene Tochter eines walisischen Vaters und einer kreolischen Mutter ein besonderes Gespür für postkoloniale Perspektiven auf die sich verändernde Gesellschaft, im Falle von Wide Sargasso Sea auf Jamaica, hat, ist Jamaica Kinkaids Literatur von frühem Auswandern bestimmt. Sie verließ ihren Geburtsort Antigua und Barbuda bereits mit 17 Jahren, um als Au-Pair-Mädchen in New York zu arbeiten, was sich auch in ihrem Roman Lucy (den ich nicht gelesen habe) niedergeschlagen hat. Was die beiden Autorinnen verbindet, ist ihr subjektives Erfahren als Momentaufnahme eines ganz besonderen Orts, ihr Coming-of-Age auf den sich so schnell verändernden Inseln der Karibik und ihr Schreiben über die Natur im Wortsinn, aber auch über das, was sich Aufwachsenden als naturgegeben präsentiert, in Wirklickeit aber über Sprache und Machtausübung menschengeschaffen ist. (Anmerkung: Diesen Unterschied herauszuarbeiten, hat sich ja auch der Feminismus vorgenommen.)

Unten am Fluss mochte ich für den dichten, lyrischen Ausdruck, die Naturbeschreibungen, in denen man schwelgen kann, und den stark biografischen Einschlag. Als für sich allein genommene Literatur hätte ich es, wenn ich nicht an einer Art literarischer O-Töne interessiert gewesen wäre, aber vermutlich nicht gelesen.

Besonders reizvoll fand ich, dass sich in meinem Leseprozess so viel mischt, das Umziehen der Autorinnen, das Übersetzen durch eine Dichterin ins Deutsche. Ich dachte, so kommt man den Mikromechanismen der Macht besser auf die Spur und denkt nicht nur schwarz-weiß. Weil die Dichterinnen Orte und Perspektiven wechseln und weil sie ihre Biografien haben auf ihre Literatur einwirken lassen, fand ich es tatsächlich leichter, mich in die Komplexität postkolonialen Lebens einzufühlen.

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