5-Fragen-Interview mit Sabina Schwachenwalde  zu “UNGLEICH BEHANDELT”

5-Fragen-Interview mit Sabina Schwachenwalde zu “UNGLEICH BEHANDELT”

Ungleich behandelt: Gesundheit ist politisch – ein Plädoyer für Gerechtigkeit

Foto von Sabina Schwachenwalde ©Paula Winkler

Am 17. April 2024 erschien im Goldmann Verlag das Debüt Ungleich behandelt von Sabina Schwachenwalde – ein mutiges, klarsichtiges und unbequem ehrliches Buch über strukturelle Diskriminierung im deutschen Gesundheitssystem. Die Ärzt*in, Aktivist*in und Mitbegründer*in von Feministische Medizin e.V. verbindet in diesem Werk ihre Perspektive aus der Geburtshilfe mit der eigenen Erfahrung als Long-Covid-Betroffene – und seziert messerscharf die gesundheitlichen Folgen von Sexismus, Rassismus, Ableismus, Queerfeindlichkeit und Klassismus.

Sabina Schwachenwalde legt mit ihrem Buch den Finger in eine klaffende Wunde unseres Gesundheitssystems und gibt all jenen eine Stimme, deren Erfahrungen zu oft ignoriert oder bagatellisiert werden – FLINTA*-Personen, Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen, queere, rassifizierte oder armutsbetroffene Personen.

Wir wollten mehr wissen. Sabina hat für uns fünf Fragen zu Ungleich behandelt, zur Rolle von Körpern in der Medizin – und zu Hoffnung, Wut und Veränderung beantwortet.

Was hat dich dazu bewegt (das Buch zu schreiben)?
Es sind verschiedene Faktoren, die zusammen kamen. Seit ich gelernt habe, zu schreiben, war es mein Traum eines Tages ein Buch zu schreiben, weil das für mich persönlich die schönste Art ist, ein Thema begreifbar zu machen – für mich selbst und für andere. Das Thema der Ungerechtigkeiten im Gesundheitsbereich begleitete mich mal mehr mal weniger, eigentlich schon seit ich nach der Schule in meiner Rettungsdienst-Ausbildung das erste Mal mit dem Gesundheitssystem in Kontakt gekommen bin. Hinzu kam eine jahrelange körperliche Einschränkung durch mein Post-Covid-Syndrom, wodurch ich einerseits das Thema der Diskriminierung aus der eigenen Patient*innenerfahrung noch einmal ganz neu kennenlernte, andererseits war es in dieser Zeit unmöglich für mich, weiter ärztlich im Krankenhaus zu arbeiten, sodass ich sehr dankbar für ein Schreibtischprojekt war.

Welche Emotionen standen für dich beim Verfassen des Buches im Vordergrund?
Wut über die Zustände, die ich beschreibe, Traurigkeit über die erschreckenden Dinge, die ich bei der Recherche herausgefunden habe, aber auch Hoffnung durch die vielen tollen aktivistischen Menschen und politischen Organisationen, die ich im Buch vorstelle.

Auf welche Hürden und Schwierigkeiten bist du beim Schreiben gestoßen?
Körperlich bin ich an meine Post-Covid-bedingte schnelle Erschöpfbarkeit gestoßen, emotional brauchte ich manchmal Abstand von der deprimierenden Datenlage zu Diskriminierung. Außerdem fand ich es offen gesagt gar nicht leicht, den Mut aufzubringen, das Projekt wirklich durchzuziehen, und hatte Selbstzweifel, ob ich dem Thema gerecht werde.

Was versuchst du durch „Ungleich behandelt“ vor allem zu vermitteln?
Ich möchte vermitteln, dass unsere Gesundheit ein politisches Thema ist, und dass es wie an so vielen Stellen auch im Bereich der Medizin ungerecht zugeht. Das Buch soll klarmachen: Diskriminierung ist ungesund, ein gesundheitlicher Risikofaktor, und manchmal ist sie sogar tödlich. Gleichzeitig ist unser Gesundheitssystem sehr diskriminierend. Dieses Paradox muss mehr thematisiert werden. Ich versuche im Buch einen Überblick zu geben, an welchen Stellen es überall strukturelle Probleme und individuelle Ungleichbehandlung gibt, aber auch welche Ideen und Alternativprojekte für eine gerechtere Gesundheit bereits existieren.

Ein Blick auf Feminismus: Welche Position(en) nehmen FLINTA* (-Rollen) in deinem Buch ein?
Eine sehr wichtige Position! Es geht um die Ungleichbehandlung von FLINTA* in der Forschung, in der medizinischen Behandlungssituation, aber vor allem auch in Zusammenhang mit weiteren Diskriminierungsformen wie Rassismus, Ableismus, Queerfeindlichkeit, und Klassismus.


Diesen Artikel zu schreiben und Sabinas Buch zu lesen, war für mich ein langer und emotionaler Prozess. Kurz nach dem Erscheinen von Ungleich behandelt erhielt eine sehr gute Freundin die Diagnose: Eierstockkrebs. Gleichzeitig erlebte sie Diskriminierung – nicht wegen der Krankheit selbst, sondern weil sie als Frau mit einer Frau verheiratet war.
Diese Erfahrung hat mir auf schmerzhafte Weise gezeigt, wie tief Diskriminierung in unserem Gesundheitssystem verankert ist – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.
Gerade für FLINTA*-Bodies ist es überlebenswichtig, dass wir diese strukturellen Ungleichheiten sichtbar machen, benennen und verändern.

Körper-Bilder: Tätowieren als feministischer Akt

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